Nepal

Trekking am Annapurna-Massiv

Vor einigen Jahren hat mich das Buch "In eisigen Höhen“ von John Krakauer so sehr fasziniert, dass ich es in einer einzigen Nacht durchgelesen habe. Danach stand der Himalaya auf meiner Reise-Wunschliste sehr weit oben!!
Es waren natürlich nicht die in dem Buch beschriebenen Katastrophen, die mich so angezogen haben. Aber trotz aller Dramatik und Tragödie versteht es Krakauer sehr treffend, die Faszination, die diese Berge ausstrahlen und ihre unglaubliche Schönheit in farbiger Lebendigkeit an den Leser zu vermitteln.

Mehr Fotos gibt's hier


Im Oktober letzten Jahres war es dann endlich soweit!!
Natürlich sollte das große Highlight der Reise ein langes Trekking sein. Aber nicht in das völlig überlaufene Basecamps vom Mount Everest, es sollte eine Route sein, auf der wir die Landschaft halbwegs ungestört genießen können.
Aus dem Grund wollten wir auch nicht unbedingt einen Gipfel "erstürmen", sondern einfach nur die großen Berge sehen!
Nach endloser Lektüre im Internet entschieden wir uns dann für die (mittlerweile recht populäre) Route um die Annapurna-Gipfel im Westen Nepals.
120 Kilometer in zwei Wochen - das hört sich sehr erträglich an, aber es galt ca. 8.000 Höhenmeter zu bewältigen: von 700 m auf den 5416 m hohen Thorong-La-Pass und wieder hinunter auf 1.900 Meter!!

(Gebucht haben wir diese Tour übrigens bei "HimaTrek", einem kleinen nepalesisch-deutschen Reiseunternehmen, das alles zu mehr als unserer vollsten Zufriedenheit arrangiert hat!!)



1. Tag
Frühmorgens schleppen wir unsere Rucksäcke zum Busbahnhof in Kathmandu. Dort treffen wir uns mit unserem Bergführer Dipendra und unserem Gepäckträger Mikal.
Gepäckträger? Ist das nicht purer Luxus?
Einerseits ja, denn grundsätzlich kann man seinen persönlichen Kram schon selbst die Berge rauf und runter schleppen. Aber andererseits: Nepal ist ein sehr armes Land, mit hoher Arbeitslosigkeit. Gepäckträger (Porter) ist in Nepal ein richtiger Beruf!! Unsere Trekking-Tour beschafft unseren beiden Begleitern, die beide arbeitslos sind, also zwei Wochen Arbeit. Führer und Träger kosten in Nepal nicht die Welt – und mal ehrlich: ohne 10-Kilo-Rucksack auf dem Buckel sieht die Landschaft wirklich viel schöner aus!! (Im Nachhinein gebe ich auch ganz offen zu, dass ich unterwegs mehrmals das Bedürfnis hatte, selbst mein relativ leichtes Tagesgepäck in die nächstgelegene Schlucht zu schmeißen...)

Die Busfahrt dürfte wohl der gefährlichste Teil unserer Tour gewesen sein! Der Bus ist älter als Stefan und ich zusammen, der Fahrer sieht dafür aus wie 14...
Dieser hat auch eine Vorliebe für "Bollywood"-Musik der schlimmsten Sorte, die in ohrenbetäubender Lautstärke aus einem Cassettenrecorder direkt über meinem Kopf dudelt - nur leider hat er nur eine einzige Cassette dabei!!!

Auf halber Strecke gibt es eine unfreiwillige Pause: Reifenpanne! Freundlicherweise ist der Reifen 100 Meter hinter einer Straßenrand"werkstatt" geplatzt!
Aber so einfach ist das mit der Reparatur natürlich nicht - denn nicht nur der Bus ist steinalt, er hat auch offenbar noch seine ersten Reifen...
Der Besitzer von der "Reifenbude" und unser Fahrer schuften in der prallen Sonne und mindestens zwanzig selbsternannte Experten stehen um sie herum und fachsimpeln.
Ich sehe uns schon im Bus übernachten (weit und breit ist außer der kleinen Werkstatt absolut nichts Bewohntes in Sicht!), aber wir haben Glück: zweieinhalb Stunden später ist der Bus wieder flott!!
Der Reifenkünstler ermahnt unseren Fahrer mit beeindruckenden Gesten in Richtung Reifen, vorsichtig zu fahren, so verläuft der Rest der Reise auch etwas entspannter!

Nach 8 Stunden Höllentrip kommen wir durchgeschüttelt, verstaubt und ziemlich fertig in Beshi Sahar, dem Ausgangspunkt des Trekkings, an.
Schlechte Nachrichten: es gibt im gesamten Tal keinen Strom, eine Transformatorstation wurde beim Gewitter beschädigt, wann das ganze repariert wird, weiß kein Mensch. Uns ist es eigentlich egal, denn außer Schlafen wollen wir gar nichts mehr.



2. Tag
Pünktlich um 8 Uhr morgens geht’s los. Mikal, der winzig kleine Sherpa, hat sich mit unglaublicher Leichtigkeit unsern großen Rucksack auf den Rücken geworfen und flitzt mit Badeschlappen an den Füßen (!!!) vor uns den holperigen Weg entlang.
Als ich Dipendra einigermaßen beunruhigt darauf anspreche, zuckt er mit den Schultern: "He doesn't like shoes!"
Von Chamje nach Taal Ganz kurz können wir die ersten schneebedeckten Berge sehen!! Ich fotografiere, was das Zeug hält –schnell verschwinden sie wieder hinter davor liegenden Hügeln und wir werden sie in den nächsten Tagen auch nicht mehr so deutlich zu sehen bekommen. (Später werde ich aber alle Fotos wieder aus meinem Speicher löschen, denn was uns ein paar Tage später geboten wird, ist damit nicht vergleichbar!!!)

Anfangs ist es richtig gemütlich! Die Sonne scheint, es ist warm, der Weg ist nicht steil und schlängelt sich über mehrere Tage malerisch durch tiefe Täler. Easy Going!! Meine Bedenken, dass ich die Tour nicht schaffe, lösen sich erst mal in Luft auf.
Dipendra benennt uns alle Berggipfel, zeigt heimische Pflanzen, erklärt alles Mögliche zu Kultur und Religion – er quasselt eigentlich ohne Punkt und Komma. Aber es ist nicht unangenehm, die Zeit vergeht schnell.
Mikal spricht leider fast gar kein Englisch, aber er hat eine umwerfende Mimik und Gestik, die das wieder ausgleicht.
Auf unserem Weg passieren wir unzählige kleine Dörfer. Die Menschen hier leben sehr einfach, zum Teil sind sie sehr arm. Aber es muss niemand hungern, die Menschen versorgen sich selbst durch Ackerbau und kleinere Viehhaltung.
Straßen gibt es hier nicht – alles, was nicht am Ort wächst, muss dorthingetragen werden – entweder von Eseln oder Trägern.
Abends suchen wir uns in den Dörfern eine Lodge zur Übernachtung. Die Lodges sind ausnahmslos blitzsauber, das Essen immer sehr lecker – vorausgesetzt, man bestellt „landestypisch“. Der Tourismus hat mittlerweile auch das letzte kleine Dorf erreicht, überall gibt es neben den leckeren nepalesischen Gemüse-Currys auch italienisch, mexikanisch...

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&nbsp Nach fünf Tagen erreichen wir Pisang, erstmals sind wir auf eine Höhe von mehr als 3000 m aufgestiegen.

Hier werden wir auch erstmals mit dem konfrontiert, was uns später die meisten Probleme bereiten wird: Kälte! Kaum ist die Sonne hinter den Bergen verschwunden, wird es empfindlich kalt. Natürlich gibt es in den Lodges, in denen wir übernachten, keine Heizungen. In den „komfortableren“ Lodges steht im Dining Room ein Ofen, oft wird aber einfach die Tür zur Küche aufgelassen und der Raum vom Küchenfeuer mitgeheizt.

Der Besitzer der Lodge in Pisang wirbt ganz stolz, dass es „Hot shower“ gibt und zerrt mich in Richtung Küche.
Die „Dusche“ entpuppt sich dann als winzigkleiner Raum mit einem Wasserhahn an der Wand. Die Mutter des Besitzers drückt mir vor der Tür eine große Blechschüssel in die Hand. Das Wasser ist gerade mal lauwarm, trotzdem schaffe ich es unter großen Verrenkungen, mich unter dem Wasserhahn, in der Schüssel stehend abzuduschen und sogar die Haare zu waschen.
Anschließend brauche ich eine volle Stunde, um (in den Schlafsack eingerollt) wieder warm zu werden.





7. Tag
Morgens starten wir in voller Wintermontur, aber kaum ist die Sonne über dem Tal aufgstiegen, wird es schlagartig warm. Die Fleeceklamotten wandern schnell wieder in den Rucksack.
Obwohl es nicht steiler ist als in den Tagen vorher, wird der Aufstieg deutlich anstrengender, denn die Luft hier oben wird langsam dünner.
Damit wir uns langsam akklimatisieren können, machen wir einen Abstecher nach Ngawal, ein kleines Bergdorf auf 3800 Meter Höhe.

In diesen Höhen kann die Höhenkrankheit schon zu einem ernsten Problem werden. Und es kann jeden erwischen, unabhängig von Alter oder Trainingszustand, sogar erfahrene nepalesische Träger oder Guides.
Aber Dipendra ist gut ausgebildet, er bremst unsere Wandergeschwindigkeit und hält uns ununterbrochen vor, langsam zu gehen, ständig „nervt“ er uns, viel Wasser zu trinken, was für die Akklimatisierung immens wichtig ist.
Außerdem zwingt er uns, zu allen möglichen und unmöglichen Tageszeiten Knoblauchsuppe zu essen – Knoblauch wirkt gefäßerweiternd und wirkt ebenfalls der Höhenkrankheit entgegen.

Ngawal klebt wie ein Schwalbennest ganz oben am Berghang. Der Aufstieg dorthin ist eine elende Schinderei, aber der Ausblick auf Annapurna II ,Annapurna IV und Gangapurna entschädigt für alles!

Die nächsten beiden Tage bleiben wir zur Akklimatisierung in Manang, wir tun einfach gar nichts – außer relaxen, lesen, in der Sonne sitzen - und Knoblauchsuppe essen!
Am Nachmittag des ersten Ruhetages habe ich die geniale Idee, mich und meine gesamte Wäsche mal richtig auf Vordermann zu bringen.
Gedacht - getan... dachte ich. In unserem "Bad" hängt ein Zettel: "Hot water from 12 a.m. to 3 p.m."
Okay, dann eben morgen!!

Die einsamste Toilette der Welt Am nächsten Morgen will ich mir die Zähne putzen, aber der Wasserhahn bleibt völlig trocken. "No Problem", weiß Dipendra zu berichten. "It's frozen!" Aber er verspricht: wenn die Sonne hoch genug steht, tauen alle Leitungen auch wieder auf!
Um eine Minute nach 12 stehe ich mit Seife und Shampoo im Bad, vor der Tür liegt der Riesen-Wäscheberg.
Ich drehe den Wasserhahn auf: das Wasser läuft!! Hurra!
Es ist allerdings eiskalt - und das bleibt es auch!!
Grund: die Solaranlage ist ausgefallen!!
Das darf doch nicht wahr sein! Aber Wasserkontakt ist dringend notwendig - also beiße ich die Zähne zusammen und stelle mich heldenhaft unter das eisige, wahrscheinlich gerade erst aufgetaute Wasser! Es ist so unglaublich kalt, beim Haarewaschen fallen mir fast die Haare aus!!!
Hinterher bin ich zwar blitzsauber und stolz auf mich selbst - aber das Wäschewaschen verweigere ich dann doch entschieden!!




Hinter Manang wird es endlich interessant! Der Track ist steil, wir kommen nur langsam voran, die Tagesetappen werden kürzer, die Pausen länger. Die Höhe macht uns zu schaffen, aber dank Dipendras Dauer-Anweisungen und seiner "Knoblauch-Therapie" bleiben wir von der gefürchteten Höhenkrankheit verschont!



12. Tag
Das heutige Ziel ist High Camp, die letzte Übernachtung vor dem Anstieg zur Passhöhe.
Die gesamte Umgebung hoch schneebedeckt, wir gehen bei strahlendem Sonneschein durch „Winter-Wonderland“

Aber diese Schönheit ist auch tückisch: an steileren Hängen rutschen immer wieder keine Lawinen ab, mehrmals treibt uns Dipendra im Laufschritt unter Schneewolken und rieselnden Steinchenregen weiter!!
High Camp liegt auf 4500 m Höhe. Vor dem morgigen Tag habe ich ein bisschen Angst: Zuerst haben wir mehr als 1000 steile, verschneite Höhenmeter auf den Thoron-La-Paß vor uns, anschließend müssen wir wieder hinunter auf 3.800 m, vorher gibt es keine Übernachtungsmöglichkeit.
Abends gibt es natürlich die unvermeidliche Knoblauchsuppe, wir gehen früh schlafen, da wir morgens gegen halb sechs starten wollen.

13. Tag Ich wache um viertel nach vier auf, weil ich Schritte im Schnee knirschen höre. Die ersten Wahnsinnigen machen sich an den Aufstieg.
Völliger Blödsinn, sagt Dipendra, man kann den Aufstieg auch noch gut schaffen, wenn man um sechs Uhr losgeht. Außerdem ist es in der Dunkelheit viel zu kalt, von der Unfallgefahr mal ganz abgesehen.

In dieser Nacht ist die Temperatur sehr stark gefallen. Da auch hier nachts die Wasserleitungen zufrieren, mussten wir unsere Wasserflaschen und –säcke bereits am Vorabend füllen. Aber obwohl wir sie nachts im Zimmer zugedeckt haben, ist das Wasser darin zu einem festen Klotz gefroren – keine Chance, es aufzutauen. Aufstieg ohne Wasser??? Wir stopfen die Wassersäcke unter unsere Jacken, aber so richtig hilft das auch nicht.
Es ist biestig kalt, als es langsam hell wird, fällt die Temperatur noch mal um ein paar Grad. Meine Füße sind Eisklötze, meine Finger sind auch irgendwie nicht mehr da... Der Track läuft auf einem Grat entlang, er ist spiegelglatt, rechts und links geht steil bergab. Ein falscher Schritt wäre zwar kein Absturz, aber eine gefährliche Rutschpartie über mehrere hundert Meter Tiefschnee!
So langsam tut mir jeder Schritt weh – Lunge und Muskeln schreien nach Sauerstoff – aber davon gibt es hier oben nun mal nicht so viel!


Mein Wassersack ist immer noch nicht genügend aufgetaut, zwangsläufig trinke ich zu wenig. Die „Quittung“ kriege ich sehr schnell: ich bekomme langsam aber sicher höllische Kopfschmerzen. Eigentlich ist das ein erstes Anzeichen von Höhenkrankheit, aber ich entschließe mich, das erst mal zu ignorieren. Statt dessen gehe ich noch langsamer und versuche, jeden Wassertropfen aus meinem eisigen Wassersack zu ziehen.

Es wird hell, bald steht die Sonne am strahlend blauen Himmel.

Jetzt taut auch endlich mein Wasservorrat auf.


Der Anstieg wird noch mal steiler.
Bei fast jedem Schritt frage ich mich: „Was zum Teufel mache ich hier????“

Und dann, völlig unerwartet hinter einem kleinen Hügelchen:
der Thorong-La-Paß!!!

5.416 Meter!

GESCHAFFT!!!

Vor uns liegt die Dhaulaghiri-Kette, hinter uns die Annapurnas... Gigantisch!!!

Eigentlich haben wir nicht wirklich Zeit zum Genießen. Aber wiwr "erlauben" uns eine knappe Stunde auf der Passhöhe, machen Fotos und feiern uns selbst. Allerdings liegen heute noch 1700 m (definitiv anstrengender!!) Abstieg vor uns!
Aber mit den großartigen Bildern im Kopf ist das am Ende doch nicht so schlimm...


Natürlich haben wir auch in Nepal wieder Unmengen an Fotos gemacht!!!!!
Eine kleine Auswahl gibts   hier2!!